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"Was sind Ihre besonderen Stärken?"

Veröffentlicht am 7.04.2014 09:04h

Worum es im Vorstellungsgespräch bei dieser Frage geht

Der fast vergessene Schriftsteller Wilhelm Raabe hat eine typisch menschliche Schwäche wie folgt auf den Punkt gebracht: „Unsere tägliche Selbsttäuschung gib uns heute!“ Diese Selbsttäuschung kann sich nach Erkenntnissen der Psychologie auf die Leugnung von Schwächen – zum Schutz des Selbstwertgefühls – und auf die Behauptung von Stärken beziehen.

Wer in eigener Sache auf Dauer die Wirklichkeit nicht wahrnimmt oder ignoriert, wird irgendwann Schiffbruch erleiden. Oder um es auf die hier zu behandelnde Frage zu beziehen: Wer von seinen Talenten keine Ahnung hat, kann sie auch nicht entwickeln, richtig einsetzen bzw. beruflich vorteilhaft nutzen. Jeder Personaler achtet folglich im Vorstellungsgespräch darauf, ob die vom Bewerber benannten Stärken für die erfolgreiche Bewältigung der angestrebten Aufgabe wichtig sind bzw. ob dieser eine einigermaßen realistische Vorstellung von seinen Stärken hat.

Antwort A

„Ach – wissen Sie – das können andere besser beurteilen. Ich kann mich zu diesem Thema doch nur ganz subjektiv äußern. Und das klingt dann immer so nach Eigenlob und das liegt mir gar nicht.“

Bewertung

Mit solchen Gemeinplätzen darf man sich nicht aus der Affäre ziehen wollen. Natürlich können einen andere im Zweifelsfall besser beurteilen und natürlich ist jede Beurteilung mehr oder weniger subjektiv – aber wer sich um eine Aufgabe bewirbt, muss sich doch vorher Fragen, ob er dafür geeignet sein könnte.

Antwort B

„Meine Stärken? Teamfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Sozialkompetenz! Außerdem finde ich schnell Kontakt zu anderen Menschen. Ja – ich denke, dass ich auch kommunikationsstark bin. Ich kann auch sehr gut zuhören. Aktives Zuhören ist ein wichtige Fähigkeit heutzutage.“

Bewertung

Eine alte Handwerkerregel heißt: Nach fest kommt ab! Wenn man eine Schraube überdreht, zerspringt sie. Wer bei der Frage nach den Stärken im Vorstellungsinterview alle möglichen Soft Skills beliebig aufsagt, wirkt unglaubwürdig. Im übrigen erweckt der Bewerber den Eindruck, dass er mit Begriffen hantiert, von denen er herzlich wenig Ahnung hat. Ist ihm klar, dass Teamfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit einander erheblich widersprechen können? Die Wette gilt, dass er die Schlüsselqualifikation „Sozialkompetenz“ nicht überzeugend definieren kann. Er muss aber damit rechnen, dass nachgefragt wird. Tipp: Man muss sich als Bewerber vorab genau überlegen, welche Stärken man für sich zu beanspruchen gedenkt und vor allem muss man sich überlegen, was die genannten Begriffe inhaltlich bedeuten.

Antwort C

„Mit dieser Frage habe ich mich natürlich noch einmal gründlich befasst, als ich Ihr Stellenangebot gelesen habe. Ich glaube, ich erkenne recht schnell, worauf es ankommt, kann mich gut strukturieren – also das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden und Prioritäten setzen. Ich hatte einen Deutschlehrer, der uns eingebläut hat, bei jedem Thema zunächst die Frage zu stellen: ‚Worauf kommt es eigentlich an?’ Das war ein guter Tipp, der mir immer sehr geholfen hat. Außerdem halte ich mich für belastbar. Mit Stress kann ich gut umgehen. Ja – ich glaub’, das sind die Stärken von mir.“

Bewertung

Dieser Bewerber liefert eine gute und sympathische Darstellung seiner Stärken ab – mit Begründung und einem Bezug zum Anforderungsprofil der Position.

Dos und Dont's: „Was sind Ihre besonderen Stärken?“

  • Das Anforderungsprofil der Aufgabe beachten! Es geht nicht um irgendwelche tollen Eigenschaften, über die Sie als Bewerber verfügen, sondern um jene, die zur Aufgabe passen.
  • Die im Stellenangebot benannten Eigenschaften umformulieren! Es ist nicht ratsam, bei der Frage nach den Stärken die im Stellenangebot erwähnten Soft Skills nur einfach herzusagen. Verwenden Sie eigene Formulierungen, ohne allerdings den Kern der Anforderungen zu verfälschen. Sagen Sie statt „Ich kann Prioritäten setzen“ beispielsweise: „Ich kann recht gut zwischen Wichtigem und weniger Wichtigem unterscheiden und handele auch entsprechend.“
  • Keine falsche Bescheidenheit! Im Job gilt es, die Vorzüge des eigenen Unternehmens bzw. seiner Produkte selbstbewusst nach außen zu vertreten – man sollte das deshalb als Jobaspirant auch in eigener Sache tun und können. Wer sich bei der Frage nach den Stärken zu lange ziert bzw. bitten lässt, ruft den Verdacht hervor, dass er sich im Markt und im Umgang mit Kunden zu defensiv verhalten wird.
  • Weniger ist mehr! Ist gibt Bewerber, die bei der Frage nach den Stärken ein breites Sortiment ausloben. Das wirkt unglaubwürdig.
  • Behaupten Sie keine Eigenschaften als Stärke, bei der Sie (eventuell) sofort den Beweis antreten müssen und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit scheitern werden. Manche Bewerber sprechen recht unbedarft von ihrer ’kommunikativen Kompetenz’ und bekommen in Wirklichkeit keinen Satz vernünftig zu Ende. Wer seinem Gesprächspartner bei der Begrüßung die Hand wie einen nassen Lappen gereicht hat, sollte sich überlegen, ob er ‚Belastbarkeit in Bewährungssituationen’ als besonderen Vorzug angeben sollte.

aus: Claus Peter Müller-Thurau: 101 Fragen und Antworten im Vorstellungsgespräch. Rudolf Haufe Verlag. 4. Auflage 2011