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Müller-Thurau | Training + Development - Human Resources  
"Was sind Ihre besonderen Stärken?"

Worum es im Vorstellungsgespräch bei dieser Frage geht

Der fast vergessene Schriftsteller Wilhelm Raabe hat eine typisch menschliche Schwäche wie folgt auf den Punkt gebracht: „Unsere tägliche Selbsttäuschung gib uns heute!“ Diese Selbsttäuschung kann sich nach Erkenntnissen der Psychologie auf die Leugnung von Schwächen – zum Schutz des Selbstwertgefühls – und auf die Behauptung von Stärken beziehen.

Wer in eigener Sache auf Dauer die Wirklichkeit nicht wahrnimmt oder ignoriert, wird irgendwann Schiffbruch erleiden. Oder um es auf die hier zu behandelnde Frage zu beziehen: Wer von seinen Talenten keine Ahnung hat, kann sie auch nicht entwickeln, richtig einsetzen bzw. beruflich vorteilhaft nutzen. Jeder Personaler achtet folglich im Vorstellungsgespräch darauf, ob die vom Bewerber benannten Stärken für die erfolgreiche Bewältigung der angestrebten Aufgabe wichtig sind bzw. ob dieser eine einigermaßen realistische Vorstellung von seinen Stärken hat.

Antwort A

„Ach – wissen Sie – das können andere besser beurteilen. Ich kann mich zu diesem Thema doch nur ganz subjektiv äußern. Und das klingt dann immer so nach Eigenlob und das liegt mir gar nicht.“

Bewertung

Mit solchen Gemeinplätzen darf man sich nicht aus der Affäre ziehen wollen. Natürlich können einen andere im Zweifelsfall besser beurteilen und natürlich ist jede Beurteilung mehr oder weniger subjektiv – aber wer sich um eine Aufgabe bewirbt, muss sich doch vorher Fragen, ob er dafür geeignet sein könnte.

Antwort B

„Meine Stärken? Teamfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Sozialkompetenz! Außerdem finde ich schnell Kontakt zu anderen Menschen. Ja – ich denke, dass ich auch kommunikationsstark bin. Ich kann auch sehr gut zuhören. Aktives Zuhören ist ein wichtige Fähigkeit heutzutage.“

Bewertung

Eine alte Handwerkerregel heißt: Nach fest kommt ab! Wenn man eine Schraube überdreht, zerspringt sie. Wer bei der Frage nach den Stärken im Vorstellungsinterview alle möglichen Soft Skills beliebig aufsagt, wirkt unglaubwürdig. Im übrigen erweckt der Bewerber den Eindruck, dass er mit Begriffen hantiert, von denen er herzlich wenig Ahnung hat. Ist ihm klar, dass Teamfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit einander erheblich widersprechen können? Die Wette gilt, dass er die Schlüsselqualifikation „Sozialkompetenz“ nicht überzeugend definieren kann. Er muss aber damit rechnen, dass nachgefragt wird. Tipp: Man muss sich als Bewerber vorab genau überlegen, welche Stärken man für sich zu beanspruchen gedenkt und vor allem muss man sich überlegen, was die genannten Begriffe inhaltlich bedeuten.

Antwort C

„Mit dieser Frage habe ich mich natürlich noch einmal gründlich befasst, als ich Ihr Stellenangebot gelesen habe. Ich glaube, ich erkenne recht schnell, worauf es ankommt, kann mich gut strukturieren – also das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden und Prioritäten setzen. Ich hatte einen Deutschlehrer, der uns eingebläut hat, bei jedem Thema zunächst die Frage zu stellen: ‚Worauf kommt es eigentlich an?’ Das war ein guter Tipp, der mir immer sehr geholfen hat. Außerdem halte ich mich für belastbar. Mit Stress kann ich gut umgehen. Ja – ich glaub’, das sind die Stärken von mir.“

Bewertung

Dieser Bewerber liefert eine gute und sympathische Darstellung seiner Stärken ab – mit Begründung und einem Bezug zum Anforderungsprofil der Position.

Dos und Dont's: „Was sind Ihre besonderen Stärken?“

aus: Claus Peter Müller-Thurau: 101 Fragen und Antworten im Vorstellungsgespräch. Rudolf Haufe Verlag. 4. Auflage 2011